Liedermacher, Musiker, Lebemann und Zoon politikon

Wolfgang Ambros räumte als Top-Act des Zeltspektakels richtig ab

"Und hinten steht der Knochenmann und winkt mit seiner Sensen": Am Samstag war nicht jener ungemütliche Herr zu Gast beim Wendlinger Zeltspektakel, sondern mit dem Wiener Liedermacher Wolfgang Ambros und seiner Band "Die No. 1 vom Wienerwald" eine Legende, die sich jedoch, wie sich herausstellte, ganz auf der Höhe der Zeit befindet.


VON HEINZ BöHLER

WENDLINGEN. An die 1000 Zuschauer sorgten dafür, dass mancherorts im Zelt kein Blatt Papier mehr zwischen die dicht gedrängt stehenden Menschen gepasst hätte. "Zwickt's mi, i glaub i draam, des derf net woar sei, wo sammer dahaam", bittet der Co-Autor des Rustikals "Der Watzmann ruft" die Umstehenden immer noch, wenn er sich den Übergriffen und Unverschämtheiten der Mächtigen ausgesetzt sieht.

Ambros ist Liedermacher, Musiker, Lebemann - aber eben nach wie vor auch ein "Zoon politikon". Kaum war am Samstag sein Opener "Da Hofa" verklungen, als er, man kann sich wohl denken aus welchem Grund, an die Erfolge von Bürgerprotestaktionen in Wyhl und Zwentendorf erinnert, warnt aber: "Do stehn dann a boar Villen schon, deshalb könnas goar nimma zruck. Losst eahna nix durchgehn. Die wern imma dreister!"

Viel persönlicher geht es weiter in einem Programm, das die ganze Bandbreite des Schaffens eines Mannes, von dem Bob Dylan einmal gesagt haben soll, er könne nicht verstehen, dass ein Typ, der aussieht wie ein Friseur, so gute Musik machen könne. Dylan bezog sich darin natürlich auf die Ambros-LP "Wie im Schlaf", auf der ausschließlich in Wiener Dialekt übersetzte Bearbeitungen seiner eigenen Songs zu hören waren.

In Wendlingen begnügte sich Ambros damit, auf musikalischem Weg wieder mal klar zu sagen: "I bin's net". Der tosende Beifall sprach Bände darüber, was die nachhaltige Popularität des Sängers wie des Songs angeht.

Den Wienern wird ein eigentümliches Verhältnis zum Tod nachgesagt. Klar: "Am Zentralfriedhof is Stimmung, wie's sei Lebdog no ned woar."

Das Zelt tobte, auch weil in Wendlingen keine Rede sein konnte von einem Eintrittsverbot für Lebende. Gevatter Tod, der große Gleichmacher, für Ambros muss er jedoch auch die Rolle des Erlösers übernehmen, zumindest für den Liederschreiber in ihm.

Hang zur Morbidität und Lust am Leben

Jener Wiener Hang zur Morbidität tritt auch in Ambros' Version des Reblausliedes zutage - und mit Begeisterung kommentiert das Wendlinger Publikum seine Respektlosigkeit der Gläubigkeit der meisten Menschen an Mythen: "Mir geht es wie dem Jesus, mit dem ich mich verglich, denn außer alten Jungfern schwärmt niemand mehr für mich."

Dazu rockte die No. 1 vom Wienerwald und schmeichelte, je nach Temperament, Songs, die der Meister gerade anstimmte. Allerdings fehlten aus der Urbesetzung Gitarrist Peter Koller, für den sich Roland Vogel mit wundervoll intonierten Soli bravourös schlug, und Helmut Pichler, dessen Part am Bass Erich Buchebner mittlerweile auf Dauer übernommen hat.

Immer für einen Lacher gut sind die keineswegs hinter vorgehaltener Hand ausgetragenen Verbalschlachten des Chefs mit Keyboarder Günter Dzikowski, in die sich, selten, auch mal Drummer Harry Stampfer einmischt.

Nicht zu kurz kamen auch die Fans der vielen Balladen von Wolfgang Ambros: "Waants nur, Ihr seid gezeichnet fir eicha Leben, i hob ma ned anders zu hölfn gwusst, i hob ma miassn de Kugel gebn", beschreibt Verzweiflung und Todesgedanken eines Teenagers, aus dem herausbricht: "So wias is, so konns ned weidagehn, mei Hass is riesengroß."

Doch "Zruck ins Leben" heißt das nächste Kommando, und ein Jubelsturm im Publikum begrüßt den Bauern aus dem "Watzmann": "Mit voller Wucht haut’s mein Buam in de Schlucht, i waaß jo doss i eam hölfn sollt, oba mei Bua der follt, der follt." Uff-tata uff-tata, wieder dieses gleichzeitig Libidinöse und Morbide, das den Wiener kennzeichnet.

Ob in alten oder neueren Texten, Wolfgang Ambros hat immer noch Botschaften, die ankommen. "Langsam wachs' mer zsamm" ist vordergründig ein Liebeslied. Dennoch ließ sich das Wendlinger Publikum gern auf die darin verpackte Aufforderung zur Solidarität unter denen ein, die ein andere Ambros-Message verinnerlicht haben: "Net olles, wos an Wert hot, muss a an Preis hom." Denn: "Mensch will i bleibm." Man glaubt's ihm aufs Wort.

Gezeichnet vom Leben: Wolfgang Ambros im Wendlinger Zelt heb