Von High-Tech-Küchen und Hypochondern

 

Kabarettist Uli Keuler brachte vor ausverkauftem Publikum zum Abschluss des 25. Zeltspektakels noch einmal das Zelt zum Kochen

WENDLINGEN. Nach 2001 zum 19. Zeltspektakel hatte Uli Keuler wieder einmal ein Heimspiel in Wendlingen. Wie warme Semmeln waren die Karten für den Kabarettabend innerhalb weniger Tage weggegangen. 750 Zuschauer drängten sich dann am Sonntag im Zelt in gespannter Erwartung. Die wurde von dem Unterboihinger freilich nicht enttäuscht. Mit seinem unverkennbaren Sprachwitz, den Absurditäten des menschlichen Denkens und Verhaltens, die er auf die Spitze treibt, und so mancher Gesellschaftssatire hatte er das Publikum fest im Griff.


GABY KIEDAISCH

Von der ersten Minute bis zur letzten schlug Keuler eine Welle der Begeisterung entgegen. Klassiker wie der Hypochonder, der mit seinem Anruf auf den Kanaren mit jeder weiteren Minute des Gesprächs kränker wird und am Ende sein imaginäres Ableben ankündigt und garantiert am anderen Ende der Leitung Mitleid und Schuldgefühle erzeugt, oder shoppinggeplagte Männer, die Zuflucht im Männerhort finden, fehlten auch diesmal nicht.

Keuler nimmt sich in seinem Programm der unterschiedlichsten menschlichen Charakterzüge an, aber besonders gerne jener, die die Schwächen seiner Figuren unterstreichen: Skeptiker, Hypochonder, Besserwisser oder Geizhälse. Dabei lässt er tief ins Alltagsgeschehen blicken, zum Beispiel wenn er die Errungenschaften der Technik auf die Schippe nimmt wie bei der Nummer mit der High-Tech-Küche. Der bedingungslose und ehrfürchtige Respekt des männlichen Bedieners gegenüber Sprachcomputern, Temperaturfühlern und digitalen Anzeigen, mit denen das Kochen laut Werbeversprechungen wie von selbst gehen soll, treibt Keuler ad absurdum. Einfachste Zubereitungen werden zum Fiasko, was dazu führt, dass das Internet nach Wasserrezepten durchforstet oder mit dem Herd Online-Banking gemacht wird.

nDer alte Mann und die Bügelwäsche

Köstlich beschreibt Keuler die hilflosen Bemühungen eines Mannes im Haushalt. Nach erfolglosen Versuchen, seine schmutzige Wäsche vor anderen Haustüren abzustellen, wo er auf die Unterstützung der jeweiligen Hausfrau hofft, bleibt ihm schlichtweg nichts anderes übrig, als selbst Hand anzulegen. Durch die sprachliche Anlehnung an Ernest Hemingways Klassiker Der alte Mann und das Meer bringt Keuler die ganze Dramatik des Kampfes gegen Bügelwäsche und Bügeleisen zum Ausdruck, was sicher auch mit daran liegt, dass sich der Mann zuerst Mut antrinkt, bevor er zum Bügeleisen greift. Da katapultiert sich die eigentlich unspektakuläre profane Handlung zum wahren Abenteuer, indem er gegen hohen Seegang im Wohnzimmer kämpft, während ihm das gesamte Mobiliar entgegenkommt.

Uli Keuler, der bei seinen Auftritten auf Requisiten gänzlich verzichtet, außer einem Stuhl, auf dem er sich immer wieder niederlässt, lässt tief in die schwäbische Seele blicken wie bei dem Stück Mann in Badewanne, der ohne seine Frau den Hochzeitstag mit allerlei kulinarischen Köstlichkeiten feiert, oder bei dem Sketch, bei dem ein Schwabe partout die letzte Verbilligung für das Gruppenticket am Fahrkartenschalter herauszuschlagen versucht und sogar einen Reise-nach-Jerusalem-Tarif akzeptieren würde, wenns nur recht wenig kostet.

Keuler nimmt sich auch der Scheinheiligkeit mancher Politiker an, wenn es darum geht, Hartz-IV-Empfänger zu erklären, wie sie am besten mit der Zuweisung am Monatsende noch etwas sparen können. Natürlich nur im Beisein von TV-Kameras im Big Brother Container.

Die Deutsche Flame and Water AG hilft manchmal

Zu welchen Blüten die Privatisierungssucht von staatlichen Unternehmen führen kann, das zeigt Keuler anhand des Beispiels der Feuerwehr. Wo Kostenanalysen und Gewinnstreben im Vordergrund stehen, da kann es den Hilfesuchenden passieren, erst einmal bei der Bandansage der Deutschen Flame and Water AG zu landen. Hat man sich dann tatsächlich durchgetippt zur Brandbekämpfungsabteilung, vermittelt einem eine Aushilfskraft, dass man nur unter der Angabe der Kreditkartennummer entsprechende Hilfe erwarten könne, doch nur mit der Goldcard die Gewissheit bekommt, dass das Sprungtuch auch ausgebreitet ist, wenn man springt, allerdings erst nach der Ausarbeitung eines immerhin maßgeschneiderten Brandbekämpfungsprogramms. Bis dahin hat sich der Brand wohl anderweitig erledigt.

Keuler greift Unzulänglichkeiten und Schwächen auf, in Beziehungen, in der Erziehung von Kindern, aber auch jene, die wir mit uns ganz alleine ausfechten: wie der Kampf ums Abnehmen. Da wird mit den kuriosesten Mitteln den Fettpolstern zu Leibe gerückt, sogar mit Fastenmeditation. Leider nimmt damit keiner auch nur ein bisschen ab, außer die Schwarzwälder Kirschtorte, die Stück um Stück verschlungen wird.

Dem ganz normalen Wahnsinn setzt Keuler noch eins drauf, wie bei der Erziehung von Kindern im Straßenverkehr. Wenn Papi den Verkehrskasper beim Autofahren mimt und Mutti den Wachtmeister spielt. Da ist der Spaß ganz schnell vorbei, wenn Mutti auf dem Beifahrersitz merkwürdige Sinnsprüche zum Besten gibt, wenn Papi mit Bleifuß fährt oder wenn er um ein Haar einen Radfahrer vom Fahrrad hebt.

Skurril, witzig, verquer da verlangt es geradezu nach Zugaben. Die erfüllt Keuler auch prompt, indem er endlich den Kult-Klassiker Es goht a Ma durch dr Wald zum Besten gibt und damit das i-Tüpfelchen auf den Abend setzt. Das Publikum hats genossen und sich gerne quälen lassen mit Geld oder Leben und mit no trag me halt a Schtickle.

Hebt den ganz normalen Alltags-Wahnsinn auf die Bühne: Uli Keuler Foto: Mario Wezel